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Was macht denn das Schiff in Fuhlsbüttel?

19.04.2021

Der beschauliche Stadtteil Fuhlsbüttel in Hamburg ist eigentlich nur für zwei Dinge bekannt: das Einfahren in den Bau und das Abfliegen in die weite Welt, zwei Dinge, die weiter nicht auseinander liegen könnten.

Aber wenn wir genauer hinschauen, finden wir hier zwischen geschnittenen Hecken und gepflegten Rasenflächen ein ganz besonders verwegenes Stück Hamburger Architektur Geschichte, was ähnlich wie ein Gefängnis und ein Flughafen, eigentlich auch nicht so recht zusammenpassen will.

An der Straße Olendörp Ecke Soltstücken steht eine Gruppe aus vier zweigeschossigen Reihenhäusern mit Flachdächern, was an sich ja erst einmal nichts Gegensätzliches ist. Wenn wir uns die Gebäude aber einmal genauer anschauen, besteht die Außenverkleidung der Fassade aus rechteckigen miteinander vernieteten Stahlplatten. Ein Doppelhaus, dessen Fassade wie ein Schiff aussieht.

Wie ein Schiff?! Ja ganz genau.

Der Bauverein zu Hamburg bemüht sich Anfang des 20. Jahrhunderts Lösungen zu finden. Im Zuge der Industrialisierung strömen nämlich aus ländlichen Gebieten immer mehr Menschen in die Städte, in der Hoffnung auf besser bezahlte Arbeit. Die meisten Gemeinden sind schnell überfordert, den nötigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und deshalb finden Bauexperimente statt. So bekommt die Vulkanwerft 1926 den Auftrag, Versuchshäuser aus Fertigbauteilen zu errichten, aus dem Material, mit dem sich Werften auskennen – Stahl. Der Bauverein hofft auf eine kostengünstige und schnelle Lösung des Wohnungsproblems, die Werft kann ihre schlechte Auftragslage kompensieren.

Nach Plänen der Architekten Erich Elingius und Gottfried Schramm werden auf Steinwerder witterungsgeschützt Stahlplatten angefertigt, ungefähr einen Quadratmeter groß. Diese werden zusammen mit Stützen aus Stahl und Holz und verschiedenen Isolierstoffen nach Fuhlsbüttel gebracht und vor Ort montiert. In die Wände werden noch Türen und Fenster eingebaut – fertig ist das Eigenheim. Aber ein Haus aus Stahl hat so seine Eigenheiten. Die dünnen Wände machen es sehr hellhörig, andererseits kommen Radiowellen nur schlecht durch. Der Stahl heizt sich bei Sonneneinstrahlung schnell und heftig auf, bei anhaltender Kälte sind die Wände entsprechend kalt, verfügen aber über eine erstaunlich gute Wärmedämmung. Und natürlich muss die Fassade regelmäßig entrostet und gestrichen werden. Aber es ist günstig, immerhin 30 Prozent kostet so ein Stahlrohbau weniger als ein Steinhaus.

Trotz aller Vor- und Nachteile ist dieses Exemplar aber das einzige Stahlhaus der Vulkanwerft geblieben. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Stahl in der Rüstungsindustrie benötigt, der Wohnungsbau ordnet sich nun den neuen Interessen vollkommen unter.

 

Auf langen Winterspaziergängen entdeckt und für Euch recherchiert und aufgeschrieben von Guru M.